Bleib‘ bei Dir

Man kann an sich und auch bei Anderen immer wieder beobachten, wie man dazu neigt, sich mit Dingen im Außen zu beschäftigen, die Einen selber eigentlich gar nicht betreffen. Das sind zumeist kaum erfreuliche, vielmehr sogar unangenehme Dinge – und schnell gerät dann auch der eigene Geist in Aufregung. Beim Studium der VEDEN wurden Kommentare von hoch angesehenen spirituellen Lehrern (Acharyas) erwähnt, die davon sprachen, dass man dem Geist morgens täglich 40 Schläge und abends nochmals 40 Fußtritte versetzen sollte – so schwer sei dieser nämlich zu kontrollieren – und zugegebenermaßen ist das auch so …

Nehmen wir mal nur zwei Beispiele: Da gibt es Jemanden, den die Polizei bei einer Kontrolle herausgefischt hat, weil er sich verkehrswidrig verhalten hat. Viele der „erwischten“ Delinquenten können sich dann nicht der Bemerkung enthalten, warum man gerade sie kontrolliert, denn Andere werden (scheinbar) nie erwischt und die verhielten sich immer verkehrswidrig … Doch worum ging es gerade bei dieser Kontrolle ? Es wurde eben mal gerade einer dieser vielen Delinquenten erwischt – was hat das dann an diesem Ort und Zeitpunkt mit den anderen Verkehrsteilnehmern zu tun … ?

Ein weiteres Beispiel sind die Verführungen der Medien, die Aufmerksamkeit auf Ereignisse zu lenken, in die man selber in keinster Weise involviert ist: Das können Klatsch und Tratsch über sogenannte Prominente sein, Kriminalfälle und Katastrophen oder Diffamierungen, politische Propaganda und Kriegshetze, so wie wir es gerade mal wieder erleben. Es gibt aber auch den weithin bekannten Spruch, dass es Einen kaum wirklich interessieren sollte, ob da irgendwo in einem Keller in China ein Sack Reis umgefallen ist oder nicht … An diesen Spruch sollte man sich ruhig öfter erinnern, wenn der Geist wieder einmal auf Fernreisen ging …

Eine Freundin sagte mir einmal „Wir sind hier an diesem Ort, weil wir hier sein wollten“, und damit hatte sie prinzipiell recht. Doch warum wollen wir unbedingt mit dem Geist auch an Orten sein und in die dortigen Geschehnisse mit einbringen, mit denen wir karmisch (durch ein gewinnbringendes Handeln) nicht wirklich etwas zu tun haben – wollen wir uns damit ohne Not ein zusätzliches Karma aufbürden ? Ich möchte an dieser Stelle einmal ins Bewusstsein rufen, dass wir im weltlichen Leben ohnehin schon von den dreifachen Leiden geplagt werden, ohne diese verhindern zu können – warum also tun wir es uns an, in fremden Dingen, die von uns selber nicht in die Welt gesetzt wurden, mit herumzustochern ?

Einer der Gründe dafür mag aufgekommene lange Weile sein, ein anderer Grund das Ablenken von unangenehmen oder sogar schmerzhaften Dingen, mit denen wir uns überhaupt nicht gerne befassen wollen, und ein dritter Grund das Bestreben, die Welt um uns herum zumindest geistig soweit zu verbessern, damit wir uns und vermeintlich auch viele Andere wohler fühlen. Doch kann Letzteres wirklich gelingen, wenn es dazu so viele verschiedene Konzepte wie auch Menschen gibt ? Mohandas Karamchand Gandhi sagte einst sinngemäß „Wenn Du die Welt im Außen verändern willst, so ändere zunächst einmal Dich selber“. Und damit wären wir wieder zurück bei unserem eigenen Geist

Der Geist ist eine materiell feinstoffliche Komponente unserer gesamten Verkörperung und wird von unserer Intelligenz mehr oder weniger bewusst gesteuert, die unserem Ego bzw. falschen Ich untersteht (siehe auch hier). Letzteres wiederum ist das Produkt der drei Erscheinungsweisen der materiellen Natur (Gunas). Mit anderen Worten bestimmen hier unsere Bewusstseins-Zustände, ob wir uns primär in der Unbewusstheit und Ignoranz (Tamas), in der Leidenschaft (Rajas) oder bereits in der Bewusstheit und Tugend (Sattva) bewegen, wenn wir uns mit Dingen um uns herum befassen, die uns selber eigentlich nicht wirklich betreffen …

Sich nicht mit sich selber zu beschäftigen und seine eigenen Funktionalitäten nicht zu ergründen, führt immer wieder dazu, die Welt im Außen auch nicht erkennen und durchschauen zu können: Wir Menschen sind als Mikrokosmos winzige Bestandteile der gesamten Natur, und die Funktionalitäten in uns selber sind die gleichen, wenn auch nur etwas anders eingefärbt. Soweit wir mit unserem beschränkten Verstand in natürliche Prozesse um uns herum einzugreifen versuchen, stören wir komplexe und komplizierte Prozesse in einem viel größeren Kontext, die wir nicht durchschaut haben oder es auch nicht können. Wenn wir aber alleine nur die Natur um uns herum und in uns selber die physiologischen und psychologischen Prozesse genau studieren, stellen wir fest, wie weit wir uns mit unseren Vorstellungen und Absichten schon von dem entfernt haben, was auch ohne unser Zutun ganz von alleine erfolgreich ablaufen würde …

Als Beispiel möchte ich einmal die Abartigkeit anführen, andere Menschen über Diffamierungen und Sanktionen, Geld, Machtausübung oder gar Kriege in gewisse Lebenssituationen zu zwingen, die wir selber nicht erleben möchten. Alleine dieses Verhalten schon ist Himsa und findet man in der gesamten Natur nicht wieder. Man stelle sich einmal vor, wenn das in unserem Körper fließende Blut an den Körperzellen anklopft und Sauerstoff und Glykose nur unter den Bedingungen irgendwelcher Gegenleistungen abzugeben bereit ist. Unter solchen Bedingungen werden wir aber schwer erkranken. Unser Magen und unser Herz hingegen versorgen alle unsere Organe, Körpergewebe und Zellen völlig bedingungslos, so wie alle Zellen, Gewebe und Organe auch bedingungslos dem gesamten Körper dienen …

Diese Erkenntnis allerdings sind das Ergebnis einer Innenkehr, d.h. der Ausrichtung unseres Geistes auf uns selber. Und in diesem Sinne liegt es also immer an uns selber, weiterhin im Tamas oder Rajas durch die Welt zu irren, oder über das alleinige Beobachten und geistige Nicht-Mitmischen zu wirklichem Sattva, d.h. zu einem wirklichem Bewusstsein zu gelangen, aus dem ein Handeln erwächst, das der gesamten menschlichen Gesellschaft im Sinne des Ahimsa, eines größeren Kontextes bzw. des göttlichen Dharma (Bestimmung) dient. Bei sich selber zu bleiben, bedeutet also, seinen Geist derart unter Kontrolle zu halten, dass uns die Wahrnehmungs- und Handlungs-Sinne nicht ohne wirkliche Not in ein unerwünschtes geistiges und körperliches Karma hineinziehen, d.h. in Ängste, Wut, Hass, Gewalt, Verletzungen, Erkrankungen oder gar vorzeitigen Tod …

Ich denke, gerade in der gegenwärtigen Zeit ist es ganz besonders angebracht, auf sich selber zu achten, damit man nicht in Verwirrung und unabsehbare Verstrickungen gerät. Was woanders gerade passiert, ist kaum von uns selber auf den Weg gebracht worden, und wir sind auch nicht gerade dort, wo wir wirklich sein wollten – es sei denn, unser unkontrollierte Geist hat uns wieder einmal dorthin gezogen … dafür hat er dann auch schon einmal 40 Fußtritte verdient. Seien Sie daher achtsamer sich selber gegenüber und befassen Sie sich auch mehr mit sich selber – so gelangen Sie dann auch schneller in eine wirkliche Bewusstheit und Tugend (Sattva), in ein angstfreies und erfolgreicheres Leben …