Fast alle Menschen machen sich Gedanken darüber, warum die Einen durch wenig Arbeit dennoch immer reich sind und die Anderen mit viel Arbeit immer arm bleiben. Sind die Einen „mit einem goldenen Löffel im Mund“ geboren oder besonders intelligent – sind die Anderen einfach zu dumm und ehrlich, „es zu Etwas zu bringen“, oder haben sie eine Art von Schuld abzutragen ? Kann es eventuell auch sein, dass hierbei die körperliche Attraktivität und Stärke eine entscheidende Rolle mitspielen ? Tatsächlich könnte man es so unterschreiben, wenn man an der Oberfläche herumkratzt, aber die VEDEN haben dafür eine ganz andere Erklärung, und die ist durchaus plausibel:
Zunächst noch einmal zur Erinnerung: „Der Geist beherrscht die Materie“: Wir glauben immer, mit besonderer Intelligenz (ob nun wohlwollend oder hinterhältig eingesetzt, ist dabei nicht von Belang) ganz besonders erfolgreich werden zu können – aber ganz so einfach ist es dann doch nicht. So gibt es in der Menschheits-Geschichte zahlreiche wirkliche Genies (Wissenschaftler, Künstler usw.), die in außerordentlicher Armut gelebt haben und auch so gestorben sind. Dergleichen hat es fast ausnahmslos alle Verbrecher „erwischt“, die bis dahin „genial“ ihren dubiosen Machenschaften nachgingen. Weiterhin ist die Geburt „mit goldenen Löffeln im Mund“ kein Garant dafür, eine hohe Bildung zu erlangen und sich auf deren Basis ein materiell unbeschwertes Leben absichern zu können. Andererseits gibt es auch eine nicht geringe Anzahl von Menschen, die recht schnell aus rundum armseligen Lebensverhältnissen „erfolgreich“ eine steile Karriere gemacht haben. Alles Das jedoch bezieht sich auf materielle Dinge, ob nun intellektuell (z.B. große Erfindungen oder Kunstwerke) oder wirtschaftlich (z.B. große Bauwerke oder Unternehmen). Es muss also noch etwas Anderes geben, was dennoch mit dem geistigen Einfluss auf die Materie zu tun hat …
Die VEDEN beschreiben (u.a. im Srimad Bhagavatam, 11. Canto, 17. Kapitel) vier Klassen (Varnas), die man in fast allen größeren Gesellschaften (auch in Europa) wiederfindet. Fälschlicher Weise werden sie als „soziale Schichten“ (in Indien auch „Kasten“ genannt) fehlinterpretiert, weil man sie lediglich an den materiellen Lebensumständen ihrer Mitglieder bemisst, nicht jedoch an ihrer Geistigkeit, die Einfluss auf ihren sozialen Stand hat. Mit anderen Worten sieht man nur das Außen, nicht aber, wie unterschiedlich dennoch die Menschen in den jeweiligen Klassen (Varnas) tatsächlich „ticken“. Diese Oberflächlichkeit führt manchmal auch dazu, dass sich einige in bestimmte Klassen hineingeborenen Menschen als etwas Besseres dünken, als es ihren ganz eigenen geistig-körperlichen Veranlagungen, Fähigkeiten und Fertigkeiten entspricht. In Wirklichkeit sind solche Menschen dort für die Gesellschaft völlig fehl am Platze und richten mehr Schaden als Nutzen an. Andererseits gibt es auch Menschen aus niederen Klassen, die an anderer Position tatsächlich weitaus mehr Nutzen für die Gesellschaft erbringen können …
Beides macht theoretisch ein „demokratisches“ System möglich, birgt sowohl Chancen als auch Unheil in sich, wie wir es seit langem immer wieder beobachten können, wenn sich Menschen zur Wahl stellen und später ihre Wählerschaft schwer enttäuschen. Die Organisation und auch Überwachung eines vedischen Varna-Systems würde viel Unheil von der Gesellschaft abwenden können, denn hier bestimmt primär die Geistigkeit, welche Rolle man in der Gesellschaft tatsächlich einnehmen sollte. Mit dieser Geistigkeit ist jedoch nicht die rationale Intelligenz, sondern der geistig-spirituelle Entwicklungsstand unter Berücksichtigung der im jeweiligen Individuum vorherrschenden Erscheinungsweise der materiellen Natur (Guna) gemeint. Was sind diese Varnas (Klassen) eigentlich und warum betreffen sie ausschließlich die Geistigkeit ihrer Mitglieder … ? Wie oben bereits angeführt, gibt es vier Klassen (Varnas) und Klassenlose, die nun näher erklärt werden sollen:
(0) Candalas bzw. Dalits (Atheisten und Unpersönlichkeitsphilosophen)
Bei den Candalas dominiert das Tamas-Guna (Unwissenheit und Ignoranz). Sie werden in Indien als „Unberührbare“ bezeichnet, weil sie absolut keine Beziehung zum Schöpfer (Gott bzw. Krishna) haben. Zu ihnen zählen Atheisten, Buddhisten, Nihilisten und Dergleichen mehr. Die Unberührbarkeit ist eine Schutzform für die Mitglieder der anderen vier Klassen (1)-(4), sich von den Candalas nicht in den Atheismus und Materialismus hineinziehen zu lassen, so lange man nicht von der Existenz Gottes (Krishnas) absolut überzeugt und ihm uneingeschränkt zu dienen (Bhakti) bereit ist. Mitglieder dieser Klasse glauben, alle ihre Lebensumstände völlig alleine in der Hand zu haben, obgleich – wenn man es genau betrachtet und ehrlich zu sich selber ist – das praktische Leben immer wieder das Gegenteil beweist. Candalas bzw. Dalits sind in „modernen Zeiten“ in allen gesellschaftlichen Schichten vertreten und in hoch entwickelten Industriestaaten leider sogar die Bevölkerungsmehrheit.
(1) Sudras (Arbeiter, Handwerker, Dienstleister)
Bei Sudras dominiert das Tamas-Guna (Unwissenheit) in Begleitung des Rajas-Guna (Leidenschaft). Sie sind der Auffassung, dass sie die materiellen Lebensumstände nur „durch ihrer eigenen Hände Arbeit“ verbessern können. Zu dieser Klasse gehören in der Neuzeit nicht nur Handwerker und Industriearbeiter, sondern auch Menschen, deren Arbeiten ins Büro verlegt wurden, wie z.B. Ingenieure. Ähnlich wie die Candalas bzw. Dalits sind auch sie noch davon überzeugt, alle ihre Lebensumstände völlig alleine in der Hand zu haben, akzeptieren aber schon die Existenz von „Etwas Höherem“, das die Lebensgeschicke beeinflusst. Allesamt tragen sie dazu bei, das wirtschaftliche Fundament zur Versorgung einer Gesellschaft zu erhalten, d.h. sie sind überwiegend produktiv tätig. In Personifizierung werden sie als die (tragenden) „Beine Gottes“ (Krishnas) angesehen.
(2) Vaisyas (Bauern und Kaufleute)
Bei Vaisyas dominiert das Rajas-Gunu (Leidenschaft) im Zusammenwirken mit dem Tamas-Guna (Unwissenheit). Sie haben die Aufgabe, die Gesellschaft mit Lebensmitteln zu versorgen und Güter zu verteilen, die von den Sudras hergestellt wurden. Ihre rationale Intelligenz setzen sie dafür ein, sich nicht mehr mit der körperlich oder geistig anstrengenden Produktion von Gütern zu beschäftigen, sondern diese dann billig einzukaufen und gewinnbringender zu verkaufen – ihr höhere Lebensstandard ergibt sich aus den erzielten Gewinnen. Vaisyas haben also erkannt, dass die Rolle als Sudra die eigenen Lebensumstände nicht wirklich und schon gar nicht einfach verbessert, und sie rufen gerne höhere Kräfte an (hier überwiegend die Gottheit Lakshmi), sie bei ihrer Arbeit zu unterstützen. Sie verfügen also schon über eine Beziehung zum Schöpfer, in diesem Falle in der Form von Vishnu (seine materialistische Gefährtin ist Lakhsmi). In Personifizierung werden Vaisyas als die (verteilende) „Hüfte Gottes“ (Krishnas) angesehen.
(3) Ksatriyas (Könige, Fürsten, Staatsdiener und Dergleichen)
Bei Ksatriyas dominiert das Sattva-Guna (Bewusstheit und Tugend), das vom Rajas-Guna (Leidenschaft) begleitet wird. Sie sind dafür zuständig, eine Gesellschaft zu organisieren und zu schützen, wofür sie im Gegenzug von den unteren Varnas (Klassen) versorgt werden. Ihre Eignung dafür ergibt sich aus einer umfassenden Bildung über gesellschaftliche Strukturen und Prozesse, sowie aus Mut und Entschlossenheit, aber auch Fein- und Mitgefühl sowie Weisheit und Gnade. Leider finden wir diese Eigenschaften in heutigen staatlichen Strukturen, die überwiegend wirtschaftlich rational geführt werden, kaum noch. Ein größerer Mangel in dieser Klasse (Varna) besteht heute darin, dass deren Mitglieder geistig-spirituell nahezu ungebildet sind und über Bewerbungen oder Wahlen zumeist aus den unteren Klassen der Candalas und Sudras in ihre Positionen gelangten. Was ihnen auch weitestgehend fehlt, ist sich von wirklichen Brahmanas schulen, beraten und begleiten zu lassen – die Säkularisierung hat das leider möglich gemacht. Menschen in der Position von Ksatriyas ohne die o.a. Eignung führen ganze Gesellschaften zunehmend in (geistig-spirituelle) Unwissenheit und materielles Leid. Ansonsten werden Ksatriyas in Personifizierung als die (schützenden) „Arme Gottes“ (Krishnas) angesehen, wenn sie denn eine wirkliche Gottes-Beziehung haben.
(4) Brahmanas (Geistig-Spirituell Intellektuelle, Lehrer, Priester und Dergleichen)
Bei Brahmanas dominiert das Sattva-Guna (Bewusstheit und Tugend). Sie sind geistig-spirituell Gelehrte und Lehrer, die die Stellung eines jeden Lebewesens in der göttlichen Schöpfung erkannt sowie verinnerlicht haben und Dieses auch in der Gesellschaft je nach Auffassungsgabe an ihrer Schüler bzw. Studenten weitervermitteln. Sie selber haben erkannt, dass der Materialismus niemals zu einer Befreiung von Leiden aller Art führen kann, so sehr man sich auch dazu anstrengt, und dass jedes Lebewesen in der göttlichen Schöpfung eine ganz besondere Beziehung zum Schöpfer selber hat, ohne dass es dem Lebewesen auch immer bewusst ist. Sie sehen jedes Lebewesen wie eine Zelle eines höchsten Lebewesens an, das dort je nach Veranlagung, Fähigkeiten und Fertigkeiten sowie Karma eine ganz besondere Funktion auszuüben hat. Ist sich das jeweilige Lebewesen darüber bewusst, so gibt es sich dafür freiwillig dem Schöpfer hin und entsagt von allem übermäßigen Materialismus, der für das gegenwärtige Leben unnötig ist. Brahmanas werden als der (intellektuelle) „Kopf Gottes“ (Krishnas) angesehen.
Das Hauptproblem, die o.a. Varnas zu akzeptieren und sich dort selber ganz bewusst so einzubinden, wie es den eigenen Veranlagungen, Fähigkeiten und Fertigkeiten wirklich entspricht, besteht im Widerstand, den hierbei das eigene Ego (materiell bedingtes Selbstbildnis) aufbringt: Man sieht sich oftmals selber anders als man wirklich ist oder lehnt das Varna-System generell ab, weil man eine Existenz Gottes (Krishnas) bestreitet. Doch wenn etwas nicht existiert – wie kann man das (schon aus philosophischer Sicht) eigentlich ablehnen ? Wie erkennbar, ist also die Mitgliedschaft in einem Varna ebenso kein Geburtsrecht wie das eines Erstklässlers, sich bereits als Abiturient zu sehen, sondern ausschließlich ein Verdienst für die bisher erworbenen geistig-spirituellen Erkenntnisse über die eigene Existenz und die eigene Einbindung in das höchste Sein. Ein Mensch, der in einem niederen Varna geboren wurde, kann sein (geistig-spirituell) fortgeschritteneres Leben durchaus in einem höheren Varna fortsetzen – aber auch ein „Absturz“ ist möglich. Unsere Websites und Beiträge hier können Ihnen helfen, sich selber und Ihr Umfeld auch aus diesem Blickwinkel genauer zu betrachten …
Noch ein Wort zum materiellen Wohlstand, den man in gewissen sozialen Schichten vorfindet: In einem gelebten Varna-System ergibt er sich völlig von alleine, wobei die Mitglieder der höheren Varnas zwar auf große Mittel zurückgreifen könnten, es aber nicht tun, weil sie diese alle als Gottes (Krishnas) Eigentum und Leihgabe betrachten – wer zu viel entnimmt, wird diesbezüglich als „Dieb vor Gott“ (Krishna) betrachtet. In materialistisch orientierten und zudem atheistischen Gesellschaftssystemen der Candalas bzw. Dalits (s.o.) ist das bekanntlich völlig anders, aber es schützt kein Lebewesen vor plötzlichen und umfangreichen Verlusten, vor geistig-körperlichen Leiden aller Art und vor dem Tod. Was alternativ oder „nach uns“ kommt, vermögen die „modernen“ Gesellschaftssysteme nicht zu vermitteln …