GENESIS / SCHÖPFUNG

Wie wurde eigentlich die Welt erschaffen – unser Universum schlechthin ? Die „moderne“ westliche Wissenschaft vertritt die These, dass sich nach einem „Urknall“ aus einem Schwarzen Loch Materie ins Universum ergoss, und diese erst über sehr lange Zeit das Leben hervorbrachte. Mit anderen Worten wird postuliert, dass die zunächst tote Materie irgendwann einmal aus sich heraus lebendig wird – doch ist das wirklich oder nur oberflächlich betrachtet so ?

Wir alle können doch an uns selber immer wieder gut beobachten, dass irgend Etwas nicht ohne irgend eine Absicht und dahinter stehende Bedürfnisse oder Wünsche entsteht. Zumeist sind es gerade die Menschen, die die Welt ständig umzugestalten versuchen, aber zumindest auch bei vielen Tieren fallen uns gestaltende Aktivitäten auf. Wenn wir bei uns selber diese Aktivitäten erkennen können, so ist es auch nicht schwer, logisch zu schlussfolgern, dass alles Das, was Menschen nicht erschaffen haben, dennoch das Ergebnis von dahinter stehenden Absichten, Bedürfnissen und Wünschen sein müsste. Die vedische Sāṅkhya-Philosphie beschreibt die Schöpfung (Genesis) genau anders herum als die einschlägigen materialistischen Wissenschaften, d.h. die Materie und letztlich Natur geht grundsätzlich immer aus einer geistigen Intelligenz und Substanz hervor:

„Ursprünglich, während des Kṛta-yuga (Satya-yuga), als alle Menschen in der spirituellen Unterscheidung sehr geübt waren, und auch davor, während der Periode der Vernichtung, existierte der Seher (Gott) allein und unterschied sich nicht von dem gesehenen Objekt.“ (Srimad Bhagavatam, 11. Canto, Vers  24.2)

„Diese eine Absolute Wahrheit (Gott), die frei von materiellen Dualitäten und un­zugänglich für gewöhnliche Sprache und Verstand ist, hat sich selbst in zwei Kategorien aufgeteilt – die materielle Natur und die Lebewesen, die versuchen, die Manifestationen dieser Natur zu genießen.“ (Srimad Bhagavatam, 11. Canto, Vers  24.3)

„Von diesen beiden Kategorien der Manifestation ist die eine die materielle Natur, die sowohl die subtilen Ursachen als auch die manifesten Produkte der Materie verkörpert. Die andere ist das bewusste Lebewesen, das als der Ge­nießer bezeichnet wird.“(Srimad Bhagavatam, 11. Canto, Vers  24.4)

„Als die materielle Natur durch meinen Blick aufgewühlt wurde, manifestierten sich die drei materiellen Erscheinungsweisen (Tugend, Leidenschaft und Unwis­senheit), um die ausstehenden Wünsche der bedingten Seelen zu erfüllen.“ (Srimad Bhagavatam, 11. Canto, Vers  24.5)

Aus diesen Erscheinungsweisen entstand das ursprüngliche sūtra, zusammen mit dem mahat-tattva. Durch die Transformation des mahat-tattva entstand das falsche Ego, die Ursache für die Verwirrung der Lebewesen.“ (Srimad Bhagavatam, 11. Canto, Vers  24.6)

Zunächst noch einmal zum besseren Verständnis von „spirituell“ und „materiell“: Eine Geschichte in einem Buch oder einem Film ist auch dann noch existent, wenn das Buch vernichtet oder der Film irgendwo verlegt worden sind. Die materiellen „Datenträger“ wurden einmal erzeugt, unterliegen einem ständigen Wandel und werden letztlich irgendwie zerstört – die Geschichte jedoch ist damit immer noch nicht verloren, sondern weiterhin existent und ewig. Materie kann man im Außen mit den Sinnen erfassen bzw. wahrnehmen, Spiritualität jedoch findet man nur im Inneren und ist materiell nicht fass- und erklärbar …

Damit wieder zurück zum Thema: Nach den VEDEN geht die universelle Schöpfung also von einem einzigen, ausschließlich spirituellen, allmächtigen und allwissenden Lebewesen aus, das wir als Gott bzw. Krishna (Sanskrit: „Der All-Anziehende“) bezeichnen. Er vermag auf Grund seiner uneingeschränkten Möglichkeiten aus seiner spirituellen Form heraus um sich herum Energie (Brahman) abzustrahlen, so wie wir es auch von der Sonne kennen, und er kann diese Energie auch wieder in sich zurückziehen. Diese energetischen Abstrahlungen bestehen aus zwei völlig verschiedenen Substanzen, nämlich aus der Gesamtheit der spirituellen Funken (Jivas) und der Gesamtheit der materiellen Ursubstanz (Pradana), womit im o.a. Sinne also die Seher bzw. Genießer als Subjekte einerseits und die von ihnen gesehenen bzw. genossenen Objekte anderseits gemeint sind.

Die Erschaffung, Erhaltung und Zerstörung des materiellen Universums wird nun durch die drei Erscheinungsweisen der materiellen Natur (Gunas) hervorgerufen, deren eigentlicher Ursprung jedoch die Geistigkeit ihres Schöpfers (Gottes bzw. Krishnas) ist. Befindet sich der Schöpfer noch in der Unwissenheits- oder Schlaf-Phase (Tamas), gibt es keine Schöpfung. Findet nach dem Aufwachen eine Schöpfung statt, so gerät der Schöpfer in die Leidenschaft (Rajas). Nach der Schöpfung wird diese eine Zeit lang in Bewusstheit und Tugend (Sattva) erhalten, bevor sie für den Schöpfer uninteressant und wieder zerstört wird – dann ist der Kreislauf einer jeden (auch menschlichen) Schöpfung beendet.

Der Schöpfungs-, Erhaltungs- und Zerstörungsprozess unseres Universums wird in den VEDEN aber noch detaillierter beschrieben: In diesen Phasen tritt Gott (Krishna) nämlich in drei verschiedenen Vishnu-Erscheinungen (Sanskrit: „Der Alldurchdringende“) auf. Im Übrigen ist damit bereits erkennbar, dass die vermeintlich vielen Götter im Hinduismus lediglich ein und die selbe Person ist, die je nach ihrem Wirken nur verschiedenartig benannt wird. Es handelt sich jetzt also um Maha-Vishnu, Garbhodakaśāyī-Viṣṇu und Kṣīrodakaśāyī Vishnu. In welcher Funktion wirken sie nun:

„… zur Zeit der Schöpfung dehnt die Persönlichkeit Gottes Seine eigene transzendentale Kraft in Form von Zeit aus, und durch die Bewegung Seiner materiellen Energie, māyā, die aus den drei Erscheinungsweisen der ma­teriellen Natur besteht, erschafft Er das mahat-tattva.“ (Srimad Bhagavatam 11. Canto, Vers 9.19)

„… Dann bringt das mahat-tattva, die verschmolzene materielle Energie, ausgestattet mit der Kraft des Herrn, aus sich selbst das goldene Urei des Universums hervor, das von ver­schiedenen Schichten materieller Elemente bedeckt ist.“ (Srimad Bhagavatam 11. Canto, Vers 6.16)

(1) Maha-Vishnu (Nārāyaṇa)
Zunächst also erweitert sich Gott (Krishna) als höchstes und einziges absolut spirituelles Lebewesen in die Erscheinungsform als Maha-Vishnu, die über eine äußere Ausstrahlung verfügt. Wie bereits o.a., bestehen diese aus sehr subtilen spirituellen Partikeln und weitaus weniger feinen materiellen Partikeln. Die spirituellen Partikel sind die individuellen Seelen (Jivas). Hierbei kann man sich als Beispiel vorstellen, dass ein Feuerkristall die Quelle (Gott) und die aus ihm hervor sprühenden Funken jene winzigen Seelen-Partikel sind – aber diese sind nicht materiell, sondern rein spirituell. Die materiellen Partikel sind in ihrer Gesamtheit die Ursubstanz (Pradana), aus der die gesamte fein- und grobstoffliche Materie des Universums gebildet wird. Sie werden auch als „niedrige marginale Energie“ bezeichnet, da sie stets der Herrschaft der höheren und mächtigeren spirituellen Energie unterliegt.

Zu diesem Zeitpunkt befinden sich noch die feinen spirituellen Partikel (Jivas) inmitten der materiellen Ursubstanz (Pradana), ohne dass sich beide gegenseitig beeinflussen. Mit anderen Worten handelt es sich hier noch um den Zeitpunkt kurz vor dem Übergang aus dem Schlafzustand (Tamas) in den Zustand der schöpferischen Leidenschaft (Rajas) …

Nach dem Ausstoßen der Ursubstanz (Pradana) werden nun deren materiell-energetische Partikel unter dem Einfluss der Zeit (Kala) durch die drei Erscheinungsweisen der materiellen Natur (Gunas), insbesondere der Leidenschaft (Rajas), in Erregung versetzt und es bildet sich jetzt aus der Ursubstanz (Pradana) das Mahat-Tattva bzw. Prakriti heraus, d.h. die Gesamtheit der eigentlichen materiellen Grundbausteine des Universums.

(2) Garbhodakaśāyī-Viṣṇu (Brahman)
In dieser nachfolgenden Phase dringt Krishna in seiner erweiterten Form als Vishnu vollständig in das sich in Erschaffung befindende Universum ein, und zwar in ausnahmslos das gesamte Mahat-Tattva bzw. Prakriti bis hinein ins kleinste Atom. Man kann diesen Prozess auch als Beatmen, Befruchten oder Beleben bezeichnen. Die von Vishnu sozusagen ausgeatmete, dann in Alles eindringende und Dieses belebende Energie ist rein spiritueller Natur, so wie Visnu bzw. Krishna selber auch immer rein spiritueller Natur sind.

(3) Kṣīrodakaśāyī-Vishnu (Paramātmā)
Nach der Erschaffung der materiell verkörperten Lebewesen, die vom ersten materiell verkörperten Lebewesen des Universums (Brahma) überhaupt ausgeht, zieht Vishnu in die (materiellen bzw. biologischen) Herzen der jeweiligen Lebewesen ein. In den Herzen residiert zentral das eigentliche Lebewesen, nämlich die individuelle Seele (Jiva), und zugleich auch Vishnu in Form der Überseele (Paramātmā). Während dessen die individuelle Seele (Jiva) in ihrer gesamten materiell-biologischen Verkörperung den materiellen bzw. Natur-gegebenen Bedingungen ihrer Verkörperung und ihres gesamten materiellen Umfeldes ausgesetzt ist, residiert neben ihr die Überseele (Paramātmā) lediglich als unbeteiligter und neutraler Beobachter. Damit wird auch erklärlich, dass Gott eigentlich in jedem Lebewesen präsent ist, zumal er es ursprünglich ja auch über die o.a. Schritte selber hervorgebracht hat.

Das aus Vishnus Nabel geborene erste materiell verkörperte Lebewesen des Universums (Brahma) hat nun die Aufgabe, des gesamte Universum in all seiner unbelebten und belebten Vielfalt (Planeten, Natur, verkörperte Lebewesen usw.) zu erschaffen, wofür ihm u.a. das o.g. Mahat-Tattva zur Verfügung steht. Damit befindet sich Brahma nun in der Erscheinungsweise (Guna) der Leidenschaft (Rajas) und gilt auch als deren Repräsentant. Die Inspiration und Anleitung hierfür erhält er von Krishna (Gott) transzendental, d.h. immer von Innen heraus. Während der Lebensdauer des ersten materiell verkörperten Lebewesens (Brahma) wird die irdische Welt von zahlreichen seiner Abkömmlinge, den Manus, regiert (siehe auch hier). Die vedischen Überlieferungen betrachten die Manus als die eigentlichen „Väter der Menschheit“. Für das  gegenwärtige irdische Zeitalter ist Vaivasvata Manu zuständig.