Meine Mutter ist vor wenigen Tagen hochbetagt gestorben. Sie war durchweg eine herzensgute Frau, hatte bereits in ihrem jungen Leben viel Leid erfahren müssen und später vier Söhne zur Welt gebracht. Leider aber war meine Mutter im Gefolge meines bereits vor fast 14 Jahren verstorbenen Vaters atheistisch, und meine drei Brüder gehen in dieser Tradition mit Stolz den gleichen Weg, was ich selbst als religiöser Mensch immer zu spüren bekam. Aus diesem aktuellem Anlass hat mir unser indischer Freund und Pandita Sunil Kumar Bhatt folgenden aufschlussreichen Text zukommen lassen, den ich hier ungekürzt wiedergeben möchte:
Göttliches Wissen aus dem Garuda Purana: Die Reise nach Yamapuri nach dem Tod und das Gericht des Dharmaraja (von Maharaj Gopeshwar):
Der Tod ist nicht das Ende des Lebens, sondern der Beginn einer neuen und beschwerlichen Reise. Laut dem Garuda Purana erreicht die Seele nach der Überquerung des Vaitarani-Flusses und 16 furchterregenden Städten nach einer langen Reise von etwa 47 Tagen Yamapuri. Dieses Yamapuri ist von einer massiven Mauer mit vier Haupttoren umgeben. Lord Vishnu spricht zu Garuda: „Yamapuri ist von überaus schöner Schönheit, wo Gandharvas und Apsaras singen. Heilige und Weise werden hier verehrt, doch für Sünder ist dieser Ort äußerst furchterregend.“
Chitraguptas Buch (Die Grundlage der Gerechtigkeit)
An den Toren von Yamapuri geleiten die Boten Yamas die Seele hinein, wo Dharmaraja Yama auf seinem Thron sitzt. Neben ihm sitzt Chitragupta – der oberste Buchhalter Yamarajas. Chitragupta besitzt ein gewaltiges Buch namens „Agrasanthani“. Dieses Buch enthält eine detaillierte Aufzeichnung jedes Augenblicks im Leben eines jeden Menschen, von der Geburt bis zum Tod (Der allwissende Chitragupta führt ein makelloses Buch über Sünden und Tugenden). Chitragupta spricht zu Yamaraja: „O Dharmaraja! Diese Seele hat diese Taten auf Erden vollbracht; dies ist die Liste ihrer Sünden und Tugenden.“
Wer ist der Zeuge ?
Oft lügt die sündige Seele: „Ich habe diese Sünde nicht begangen, niemand hat mich gesehen!“ Dann erinnert Yamaraja sie daran, dass selbst wenn kein Mensch die Sünde beobachtet, stets 14 Zeugen anwesend sind: „Sonne, Feuer, Himmel, Wind, Mond, Dämmerung, Tag, Nacht, Himmelsrichtungen, Zeit und das Dharma selbst – all dies sind Zeugen der sündigen Taten eines Menschen.“ Beim Hören dieser Zeugenaussagen senkt die sündige Seele beschämt den Kopf, und es gibt ihr keinen Weg mehr, ihre Taten zu leugnen.
Lord Vishnu erklärt, dass Yamaraja seine Gestalt verändern kann. Er erscheint Sündern und tugendhaften Seelen in verschiedenen Formen:
Die zwei Formen von Dharmaraja Yama (Furchterregend und Sanft)
- Furchterregende Gestalt für Sünder: Wenn sich herausstellt, dass eine Seele ein großer Sünder ist, brüllt Yamaraja wie die Wolken der Apokalypse. Seine Farbe ist so schwarz wie Kajal, seine Augen rot wie brennendes Feuer, und er hält eine riesige Keule in der Hand. Er reitet auf einem Büffel. Beim Anblick dieser furchterregenden Gestalt fällt die sündige Seele vor Angst in Ohnmacht.
- Sanfte Gestalt für tugendhafte Seelen: Doch diejenigen, die die Wahrheit sprachen, Almosen gaben und in ihrem Leben Hingabe übten, fürchten Yamaraja nicht. Er erscheint ihnen in einer sanften Gestalt, ähnlich wie Vishnu, lächelt und spricht sie als „Freund“ an.
Das Urteil der Gerechtigkeit (Himmel oder Hölle ?)
- Strafe für Sünder: Yamaraja befiehlt: „Bringt diesen Sünder fort ! Werft ihn nach Kumbhipaka (die Hölle aus siedendem Öl) oder Asipatra Vana (den Wald aus scharfkantigen Blättern).“ Die Yamadutas schlagen ihn und schleifen ihn in die Hölle, wo er seine Taten bereut.
- Belohnung für tugendhafte Seelen: Und wenn die Tugenden zahlreich sind, spricht Yamaraja: „O tugendhafte Seele ! Du bist gesegnet. Genieße nun die Freuden des Himmels.“ Dann erscheint ein göttlicher Wagen vom Himmel, und die Gandharvas singen, während sie die Seele ehrfurchtsvoll in den Himmel geleiten.Yamaraja
Eine unvergessliche Lektion: Das Gesetz des Karmas ist unausweichlich
Lord Vishnu verkündet schließlich eine ewige Wahrheit: „Man muss unweigerlich die Folgen seiner guten oder schlechten Taten erfahren. Karma verschwindet nicht, selbst nach Hunderten von Millionen Jahren, ohne dass es erfahren wird.“ Ein Mensch muss die Folgen seiner guten oder schlechten Taten erfahren. Selbst nach hundert Millionen Kalpas (Zeitaltern) verschwinden die Folgen der Handlungen nicht, ohne dass sie erfahren werden.
Achte auf Deine Taten, denn sie sind deine Begleiter auf Deiner letzten Reise !
Anmerkung: Gandharvas sind himmlische Musikanten und Apsaras sind himmlische Gesellschaftsmädchen